Im Jahr 2015 äußerte der damalige US-Präsident Barack Obama die Worte: „Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann.“ Diese Aussage verdeutlicht, dass es an uns liegt, die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Nachhaltigkeit beeinflusst sowohl unser persönliches als auch geschäftliches Leben und wird zunehmend prägend auch für die wirtschaftliche Zukunft sein.
Früher lebten wir in Wohlstandsgesellschaften, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Deswegen müssen wir jetzt immens viel aufholen, um unseren Planeten zu schützen. Der Erdüberlastungstag (Overshoot Day), an dem wir mehr Ressourcen verbrauchen als die Erde erneuern kann, verschiebt sich kontinuierlich nach vorne. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren.
Die Zahlen sind erschreckend: Während die Welt im Durchschnitt am 2. August dieses Jahres bereits die Ressourcen eines ganzen Jahres verbraucht hat, benötigten wir in Deutschland schon am 4. Mai das Äquivalent von sage und schreibe drei Erden. Seit der ersten Erfassung im Jahr 1970 stellt sich der Erdüberlastungstag jährlich um etwa 3 Tage früher ein. Obwohl die globale COVID-19-Pandemie vorübergehend zu einer Verlangsamung geführt hat, ist die Tendenz weiter negativ.
Diese Erkenntnisse sind nicht neu, und auch Obamas Zitat ist mittlerweile weit verbreitet. Tatsache ist aber auch, dass die intensivere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel zu einem gesteigerten Bewusstsein führt. Die Mehrheit der Menschen verlangt mittlerweile nach nachhaltigeren Produkten und Dienstleistungen. Besonders die jüngere Generation beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema, da sie spürt, dass ihre zukünftige Lebensgrundlage bedroht ist.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind auch und gerade in der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Diese Aspekte gehen über das bloße Image eines Unternehmens hinaus und haben direkte Auswirkungen auf den langfristigen Erfolg und die Rentabilität. Was viele immer noch unterschätzen: Die Integration von umweltfreundlichen Praktiken und nachhaltigen Ansätzen bietet zahlreiche Vorteile, die nicht nur die Umwelt schützen, sondern Unternehmen stärker machen können.
Das Bewusstsein
Nahezu jeder Wirtschaftszweig hat bereits reagiert und der Nachhaltigkeit inzwischen eine besondere Bedeutung zugewiesen. Ein paar Beispiele: Es gibt ethische Banken, die nicht mit Lebensmitteln spekulieren, ein Augenmerk auf Menschenrechtsverletzungen haben, transparent arbeiten und nachhaltig investieren.
In einigen Großstädten haben sich bereits sogenannte Zero Waste Läden etabliert, in denen man unverpackte Lebensmittel ohne Plastikverpackung in Mehrwegbehältern kaufen kann. Zudem werben recycelte Regenjacken nicht nur mit Wasserdichtigkeit, sondern betonen auch ihre ressourcenschonende Herstellung durch das Recycling von Rohstoffen im Sinne des grünen Lieferkettenmanagements. Diese Beispiele verdeutlichen das wachsende gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit.
Allerdings sind auch diese Unternehmen langfristig auf Gewinne angewiesen und benötigen trotz ihrer lobenswerten Nachhaltigkeitsbemühungen die Unterstützung der Kunden. Das verfügbare Einkommen und die unterschiedlichen Konsumwünsche beeinflussen maßgeblich die Fähigkeit, „vernünftige" Kaufentscheidungen zu treffen. Ein Beispiel: Während in den Jahren der Corona-Pandemie Ausgaben für Reisen rückläufig waren, profitierten andere Branchen wie die Möbelindustrie und die Bio-Lebensmittelbranche. Das Jahr 2020 führte zu einem Umsatzanstieg im Bio-Bereich um 22 %, während es von 2021 auf 2022 einen Umsatzrückgang von 3,5 % gab.
Letztlich gestalten die Verbraucher den Markt, ihre verfügbaren Budgets variieren und ihre Konsumgewohnheiten ändern sich. Hierauf muss das Einkaufs- und Lieferkettenmanagement der Unternehmen reagieren. Vor allem angesichts der Tatsache, dass nachhaltige Produkte oft zu höheren Preisen angeboten werden müssen.
Der Verbraucher
Lassen Sie uns die aktuellen Spannungen zwischen der Lebensmittelindustrie und dem Lebensmittelhandel genauer betrachten. Diese Auseinandersetzungen sind nicht nur in Fachzeitschriften präsent, sondern auch in der allgemeinen Berichterstattung bis hin zur Tagesschau. Am 21. Oktober 2022 schrieb das Handelsblatt: „Lebensmittelfirmen planen Preiserhöhungen, während Händler aus Sorge vor Kundenverlust blockieren."
Die Händler sind sich der Preissensibilität der Verbraucher bewusst: Sie setzen auf Strategien wie das Auslisten von bekannten Markenprodukten oder die Einführung neuer Handelsmarken, um die notwendigen Preissteigerungen so behutsam wie möglich an die Kunden weiterzugeben. Die Industrie hingegen sieht sich steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik gegenüber, die sie durch entsprechende Preisanpassungen an den Handel weitergeben muss.
Diese Kostensteigerungen sind nicht zuletzt eine Folge des Ukraine-Konflikts und somit nachvollziehbar. Das Resultat ist eine reale Preissteigerung von 11% für Lebensmittel zwischen Juli 2022 und Juli 2023. Diese Entwicklung trifft besonders die ärmeren Bevölkerungsschichten. Kürzlich startete der Discounter Penny eine Aktion, in der neun Produkte (vor allem Fleisch- und Milchprodukte) mit dem „wahren Preis" ausgezeichnet wurden. Was bedeutet das? Dieser „wahre Preis" berücksichtigt nicht nur Produktions-, Verpackungs- und Transportkosten, sondern auch Umwelt- und Gesundheitsschäden, die durch die Herstellung entstehen. Die dadurch entstandenen Preisaufschläge wurden von der Universität Greifswald und der Technischen Hochschule in Nürnberg ermittelt.
An diesem Punkt wird klar, dass ein verändertes Bewusstsein für nachhaltige Produkte nicht ausreicht. Nachhaltige Produkte müssen auch bezahlbar sein. Andernfalls können sich nur wenige Menschen nachhaltigere Produkte leisten, was wiederum den Klimazielen zuwiderläuft.
Die Industrie
In den Einkaufsabteilungen der Handelsketten stellt sich die Frage, ob die von der Industrie
geforderten Preissteigerungen für Produkte oder die Lieferkette gerechtfertigt sind. Wie stark beeinflussen die Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik tatsächlich das jeweilige Produkt? Oder nutzt die Industrie die dadurch entstandene Unklarheit, um in dieser Situation zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften?
Am 10. August 2023 titelte Gabor Steingart in seinem Morning Briefing: „Die schmutzigen Tricks der Lebensmittelkonzerne". Er verweist auf die Diskrepanz zwischen der Preiserhöhungsrate für Lebensmittel und der allgemeinen Inflationsrate im Juli 2023: Während die Preise für Lebensmittel um 11 % stiegen, lag die allgemeine Inflationsrate bei 6,2 %.
Damit steht der Vorwurf im Raum, dass die Industrie die Inflation als Vorwand nutzt, um ihre wahren Absichten zu verschleiern, nämlich vor allem ihre Gewinne zu maximieren. Dieses spezifische Beispiel verdeutlicht, wie undurchsichtige Situationen in der Marktwirtschaft häufig genutzt werden, um überproportionale Preiserhöhungen durchzusetzen. Dies geschieht trotz des Wissens um alle Berechnungsfaktoren, angefangen bei Rohstoffen bis hin zu Logistikkosten. Die „neuen" Kosten, die für eine nachhaltigere Produktion anfallen, sind noch unscharf und können nicht auf frühere Kostenentwicklungen zurückgeführt werden. Dadurch ergeben sich Kalkulationsspielräume und Verschleierungsmöglichkeiten für die Industrie.
Der Einkauf und das Supply Chain Management
Neben den Umweltauswirkungen können nachhaltige Einkaufspraktiken auch das Unternehmensimage stärken. Verbraucher sind heute bewusster und anspruchsvoller in Bezug auf die Herkunft und die Produktionsbedingungen von Waren und Dienstleistungen. Ein Unternehmen, das sich aktiv für den Umweltschutz einsetzt und nachhaltige Geschäftspraktiken verfolgt, kann das Vertrauen der Kunden gewinnen und sich von der Konkurrenz abheben. Nachhaltigkeit kann somit zu einer positiven Wahrnehmung und Kundenbindung führen.
Darüber hinaus bieten nachhaltige Lieferketten auch Chancen zur Effizienzsteigerung und Risikominimierung. Die Identifikation und Zusammenarbeit mit zuverlässigen Lieferanten, die hohe Umwelt- und Sozialstandards einhalten, reduziert das Risiko von Unterbrechungen in der Lieferkette, die durch Umweltkrisen oder soziale Unruhen verursacht werden könnten. Die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in den Einkaufsprozess ermöglicht es Unternehmen, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Nicht zuletzt kann Nachhaltigkeit im Einkauf und in den Lieferketten auch finanzielle Vorteile bieten. Durch die Optimierung von Ressourceneinsatz und Energieverbrauch können Unternehmen Kosten senken. Die Reduzierung von Abfall, Energie- und Wasserverbrauch kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen und die langfristige Rentabilität steigern. Zudem werden nachhaltige Unternehmen oft als attraktive Partner für Investoren und Geschäftspartner angesehen, was wiederum den Zugang zu Kapital und Partnerschaftsmöglichkeiten erleichtern kann.
In einer idealen Welt sind der Einkauf und das Lieferkettenmanagement der Schlüssel zur umfassenden Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Einfach ausgedrückt, liegt die Macht des Einkaufs darin, zu bestimmen, welcher Lieferant die benötigten Produkte oder Dienstleistungen liefern soll. Der Einkauf legt Standards und Qualitätsanforderungen fest, die von den Lieferanten erfüllt werden müssen. Diese Standards müssen jedoch um klare Nachhaltigkeitsziele erweitert werden, die den potenziellen Lieferanten qualifizieren, an der Ausschreibung teilzunehmen.
Soweit die Theorie. Was der Einkauf jedoch grundlegend benötigt, ist eine klare Richtlinie, die angibt, welche Nachhaltigkeitsziele die Lieferanten in welcher Produktkategorie und innerhalb welchen Zeitrahmens erreichen sollen. Oft erleben wir, dass diese Richtlinie, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen betriebswirtschaftlichen Abteilungen im Unternehmen erarbeitet werden muss, fehlt. Die Nachhaltigkeitsziele, die den Lieferanten als Voraussetzung mitgegeben werden, müssen im Vorfeld unter Leitung des Einkaufs in Abstimmung mit Vertrieb, Marketing, Produktion und Top-Management festgelegt werden. Sobald diese Ziele eindeutig und für jede Produktkategorie schriftlich definiert sind - zum Beispiel die Verringerung des CO2-Fußabdrucks bei der Produktion und die Vereinfachung der Lieferkette durch europäische Hersteller - muss auch geklärt sein, wie die Erreichung dieser Ziele gemessen wird.
Die Messung der Zielerreichung kann eine Herausforderung darstellen. Wie soll der Einkauf beispielsweise die Behauptungen des Lieferanten zur angeblichen CO2-Reduktion im Vergleich zur Konkurrenz objektiv bewerten? Und zudem muss sichergestellt werden, dass Greenwashing seitens der Lieferanten ausgeschlossen wird, um den eigenen Ruf nicht zu gefährden.
Die Hauptaufgabe des Einkaufs liegt im letzten Schritt des Prozesses: die intensive und abschließende Verhandlung eines angemessenen Preises für die tatsächlichen Kosten, die durch die Nachhaltigkeit des Produkts entstanden sind.
Die genannten Erklärungen verdeutlichen, dass die Industrie die vorhandene Undurchsichtigkeit in Bezug auf die neuen Nachhaltigkeitskosten zu ihrem eigenen Gewinnvorteil ausnutzen kann und wird. Um diese Kostenentwicklung im Einkauf und in der Lieferkette zu analysieren, bedarf es einer neuen Art des Kostenmanagements. Das traditionelle Kosten- oder Wert-Engineering basiert auf bestehenden historischen Datenbanken und umfasst Kosten für Rohstoffe, Produktion, Verpackung und Transport.
Um die Kosten der Nachhaltigkeit adäquat abzubilden, brauchen wir eine differenzierte Darstellung, zum Beispiel des CO2-Fußabdrucks während der Produktion oder in der Lieferkette. Wir sprechen hier von Modul Sustainability Engineering, um die Bestandteile der Kostenstruktur nachhaltiger Produkte mithilfe neu entwickelter Datenbanken softwareseitig abbilden zu können.
Kurz gesagt, ist es die Aufgabe des Einkaufs und des Lieferkettenmanagements, die Nachhaltigkeitsbemühungen der Lieferanten im Sinne des eigenen Unternehmens gezielt zu steuern, messbar zu machen und kosteneffizient zu verhandeln, um die Produkte für Endverbraucher erschwinglich zu gestalten.
Es ist erwähnenswert, dass diese Betrachtung ausschließlich auf den B2C-Bereich (Verbraucher) ausgerichtet ist. Im B2B-Bereich sind die Anforderungen und Aufgaben des Einkaufs und des Lieferkettenmanagements fast identisch. Hier führt jedoch nicht die sinkende Akzeptanz der Verbraucher bei überhöhten Preisen zu Problemen, sondern es geht um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf dem internationalen Markt. Wenn die Kostenstrukturen nicht durch den Einkauf optimiert wurden, kann diese verloren gehen. In jedem Fall steht viel auf dem Spiel.
Fazit:
Zusammengefasst zeigt sich, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit im unternehmerischen Einkauf und den Lieferketten nicht nur moralisch geboten sind, sondern auch eine kluge Geschäftsstrategie darstellen. Unternehmen, die auf nachhaltige Beschaffung und Lieferkettenmanagement setzen, können von gestärktem Kundenvertrauen, verbesserter Risikobewältigung, Effizienzsteigerungen und finanziellen Vorteilen profitieren. In einer Zeit, in der Umweltprobleme und soziale Verantwortung immer mehr in den Fokus rücken, ist die Integration von Nachhaltigkeit in die Geschäftspraktiken ein Schritt in die richtige Richtung für langfristigen Erfolg und eine positive Zukunft.
Festzuhalten ist:
Quelle: https://visionsforeurope.eu/v4e-magazine-q3-2023-german-edition/
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Kerkhoff Consulting ist für Beratungslösungen im Bereich von Einkauf und Supply Chain Management führend. Seit mehr als 24 Jahren begeistern wir unsere Kunden mit individuellen Lösungen, die wir gemeinsam umsetzen. Als die Experten im Einkauf steigern wir durch Optimierungen entlang der Wertschöpfungskette nachhaltig das Ergebnis unserer Kunden. Kerkhoff steht dafür, die Mitarbeiter und Prozesse der Kunden auf die Anforderungen von morgen vorzubereiten und auf diesem Weg zu begleiten.
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