04.04.2011

Beschaffungstrends in der Automobilzulieferindustrie

Beschaffungstrends in der Automobilzulieferindustrie

Die Automobilzulieferindustrie in Deutschland steht aufgrund der sich in vielen Bereichen verändernden Rahmenbedingungen vor zahlreichen Herausforderungen. Da die Materialkosten mit 45% mit Abstand den größten Kostenblock von Automobilzulieferern bilden, kommt dem Einkauf dabei eine besondere Bedeutung zu. Der Beitrag zeigt Herausforderungen, Änderungsnotwendigkeiten und Maßnahmen, die im Rahmen einer Untersuchung des Kerkhoff Competence Center of Supply Chain Management (KCC) zum Einkauf in der deutschen Automobilzulieferindustrie ermittelt wurden.

Die überwiegende Zahl der Herausforderungen an den Einkauf der Automobilzulieferindustrie resultieren aus Veränderungen von unternehmensexternen Rahmenbedingungen. Dennoch lassen sich diesen konkrete Beschaffungsaufgaben zuordnen. Die meisten Herausforderungen, die für den Einkauf der Automobilzulieferbranche als relevant angesehen werden, betreffen den Bereich Lieferantenmanagement. Darunter fallen Themen, wie z.B. der Umgang mit steigenden Kosten, die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie das Qualitätsmanagement. An zweiter Stelle folgt das Thema Global Sourcing. Aufgrund des hohen Kostendrucks und der voranschreitenden Internationalisierung der Absatzmärkte ist bei diesem Thema von einem weiteren Bedeutungszuwachs auszugehen. Weitere wichtige Herausforderungen betreffen das Supply Chain Management. Dazu zählen die unternehmensübergreifende Beschaffung neuer Technologien, die ganzheitliche Optimierung von Logistik und Lagerhaltung sowie die Sicherstellung einer schnellen und sicheren Belieferung der Kunden. Daneben spielen Themen wie rechtliche Rahmenbedingungen, steigende Umweltstandards sowie Organisations- und Finanzierungsfragen eine Rolle.


Ein Vergleich der erwarteten Entwicklungen für die Branche und der Herausforderungen für das eigene Unternehmen zeigt, dass viele Entwicklungen zwar erkannt werden, diese jedoch nicht als Herausforderungen für das eigene Unternehmen begriffen werden. Steigende Energiepreise, die Einhaltung sozialer Standards bei Sublieferanten, die zunehmende Internationalisierung des Einkaufs und eine restriktivere Kreditvergabe der Banken werden vor allem als Themen der "anderen" Unternehmen empfunden. Die Einkaufsverantwortlichen der Automobilzulieferindustrie sollten daher kritisch hinterfragen, ob diese Herausforderungen nicht auch auf ihr Unternehmen zutreffen könnten.


Obwohl die Einkaufsverantwortlichen zahlreiche dringliche Herausforderungen identifizieren, zögern sie bei der Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen. An erster Stelle der Herausforderungen werden die steigenden Kosten und der zunehmende Preisdruck der Abnehmer genannt. Dennoch finden einige Instrumente zur Kostenreduzierung, wie z.B. Einkaufskooperationen oder Cost Breakdown Tools, kaum Anwendung. Der Umgang mit neuen Technologien und die Beschleunigung der Abläufe werden ebenfalls als relevante Herausforderungen betrachtet. Eine Einbindung des Einkaufs in die Entwicklung oder in die Produktion, als Möglichkeit diese Herausforderungen zu bewältigen, findet jedoch nur bei etwa der Hälfte der befragten Unternehmen statt. Gleiches gilt für den Umgang mit den identifizierten Schwankungen der Währungs- und Rohstoffpreise. Nur etwa ein Drittel der Unternehmen nutzen hierzu ein Risikomanagementsystem oder Natural Hedging-Instrumente. Die im Einkauf der Automobilzulieferindustrie umgesetzten Massnahmen konzentrieren sich außerdem hauptsächlich auf unternehmensinterne Instrumente mit dem Ziel der Kostenreduzierung. Obwohl das Supply Chain Management eine wesentliche Aufgabe zur Bewältigung der identifizierten Herausforderungen darstellt, finden unternehmensübergreifende Massnahmen kaum Anwendung.


Wie die Massnamenanalyse zeigt, herrscht im Einkauf vieler Automobilzulieferer die Notwendigkeit umfassender Anpassungen, was wesentliche Veränderungen in der Beschaffungsorganisation erfordert. Trotz dieser Defizite erkennen nur 19% der befragten Einkaufsverantwortlichen einen grundlegenden Änderungsbedarf in ihrem Unternehmen. Diese Diskrepanz scheint eine Folge der ungenügenden zur Verfügung stehenden Ressourcen des Einkaufs in der Automobilzulieferindustrie zu sein. So gaben etwa 70% der Einkäufer an, zu wenig Budget und Zeit für die anstehenden Herausforderungen zur Verfügung zu haben.


Der Einkauf in der Automobilzulieferindustrie sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Bei vielen Einkaufsorganisationen sind jedoch einschlägige Defizite im Hinblick auf die Bewältigung dieser zukünftigen Aufgaben erkennbar. Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie lauten daher:


  • Die Herausforderungen an die Automobilzulieferer als Branche sollten nicht nur als Problem der "Anderen", sondern auch als Chance für das eigene Unternehmen begriffen werden.
  • Um zusätzliches Kosteneinsparpotenzial zu erschliessen, sollten unternehmensübergreifende Massnahmen des Supply Chain Managements gestärkt werden.
  • Die Einbindung des Einkaufs in die Entwicklung und die Produktion sollte in vielen Unternehmen intensiviert werden.
  • Zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen sind den Einkaufsverantwortlichen ausreichend Zeit und Budget zur Verfügung zu stellen. Dem Einkauf muss in der Automobilzulieferindustrie die Bedeutung beigemessen werden, die ihm aufgrund seiner Hebelwirkung auf den Umsatz faktisch zusteht.

 

Daniel Maucher

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St.Gallen (LOG-HSG) sowie am Kerkhoff Competence Center of Supply Chain Management (KCC)


Dr. Erik Hofmann

Assistenzprofessor am Lehrstuhls für Logistikmanagement der Universität St.Gallen (LOG-HSG) sowie Projektleiter des Kerkhoff Competence Centers of Supply Chain Management (KCC)

Share by: