11.07.2017

„Spezialisten von außen schließen interne Wissenslücken im Unternehmen“

„Spezialisten von außen schließen interne Wissenslücken im Unternehmen“

Digitalisierung, stärkere Vernetzung, das Internet der Dinge und die Industrie 4.0 prägen zunehmend auch die Personalprozesse in Unternehmen. Personalfindungsstrategien müssen auf diese Megatrends angepasst werden. Das Thema Managementunterstützung auf Zeit gewinnt hier an Bedeutung.

VC Magazin: Qualifizierte Fachkräfte für ein Unternehmen zu gewinnen wird immer schwieriger. Wie kann ein Unternehmen trotz des zunehmenden Fachkräftemangels gute Mitarbeiter finden?

Burghardt: Das Thema Employer Branding wird bei der Rekrutierung junger Talente immer wichtiger. Heute haben Absolventen einiger Studienrichtungen – u.a. MINT – vier oder fünf Jobs zur Auswahl. Die jungen Arbeitnehmer wählen ihren Arbeitgeber auch nicht mehr nur nach monetären Gesichtspunkten aus. Im Zuge der Digitalisierung nimmt die Loyalität weiter ab. Arbeit muss sinnstiftend sein und eine Bedeutung für den Mitarbeiter haben.

Die essenzielle Frage „Wofür stehen wir als Unternehmen?“ wird dabei immer wichtiger.

VC Magazin: Was macht aus ihrer Sicht einen guten Arbeitgeber aus? Wie können Unternehmen geeignete Mitarbeiter an sich binden?

Burghardt: Man kann gute Mitarbeiter nur halten, wenn sich diese mit dem Unternehmen identifizieren. In einer digitalen Arbeitswelt sind flache Hierarchien und eine informelle, transparente Peer to Peer-Kommunikation ausschlaggebend. Bei der Umsetzung sind z.B. Kommunikationsplattformen hilfreich, die eine fluide Kommunikation ermöglichen. Auch die Rolle der Vorgesetzten muss sich ändern, weil sie lernen müssen, Kontrolle abzugeben. Nicht mehr die fachliche Führung ist entscheidend, die Aufgabe einer Führungskraft ist es vielmehr, die richtigen Bedingungen für Partizipation herzustellen. Oftmals ist das mit der bestehenden Mannschaft nicht möglich, dann müssen Leute von außen rein. Deswegen sollten Unternehmen nicht ausschließlich die eigenen Mitarbeiter im Blick haben, sondern sich eine Talent-Cloud aufbauen. Die Talent-Cloud besteht idealerweise auch aus externen Spezialisten, die temporär bei Projekten unterstützen können und zum Know-how-Transfer für die eigenen Mitarbeiter dienlich sein können. Oft wissen Unternehmer gar nicht, welche Expertise in der gesamten Organisation besteht. Hier kann eine Skill-Matrix helfen, die abbildet, welche Kompetenzen im eigenen Hause vorhanden sind und in welchen Bereichen externe Kompetenz benötigt wird.

VC Magazin: Wie sind die Erfahrungen im Mittelstand mit dem Einsatz von Interim Managern?

Burghardt: Es wäre nur die halbe Wahrheit, wenn ich unterschlagen würde, dass es noch immer Hemmschwellen für den Managereinsatz auf Zeit gibt. Wissensabfluss, mangelnde Überzeugung von der Leistungsfähigkeit und falsche Vorstellungen zu den Kosten sind hier die meistgenannten Argumente. Hier kann ich immer nur raten, das Gespräch mit Interim-Experten zu suchen. Ich habe es oft erlebt, dass ein gesundheitlicher Ausfall diese Hemmschwelle aus der Not heraus hat verschwinden lassen. Überzeugung hat einige dieser Klienten zu Stammkunden werden lassen, weil sie die Stärken der eingesetzten Experten inzwischen zu schätzen wissen.

VC Magazin: Wenn kein geeigneter Manager oder Geschäftsbereichsleiter für das Unternehmen verfügbar ist, ist Interim Management eine Alternative. Welche Vorteile hat ein „Manager auf Zeit“?

Burghardt: Der wichtigste Vorteil ist sicherlich die Schnelligkeit. Meist kann innerhalb von wenigen Tagen ein geeigneter Mitarbeiter für das Unternehmen gefunden werden. der exakt und passgenau die Kompetenzen besitzt, die das Unternehmen benötigt.

Es ist keine lange Einarbeitung notwendig, der externe Manager kann sofort starten und – das ist der dritte große Vorteil – der Interim-Manager kann schnell Ergebnisse liefern. Es gibt keinen zeitintensiven On-Boarding-Prozess, der Manager bekommt die Aufgabe und legt los. Für den Interim Manager ist das gewohnte Praxis, ins „kalte Wasser“ zu springen. Die Stärke einer externen Führungskraft ist. gut funktionierende. produktive Teams zu bilden, eine Feedback-Kultur zu etablieren und schnellstmöglich Ergebnisse zu liefern.

VC Magazin: Gibt es Interim Manager, die bereit sind, in eine Festanstellung zu wechseln, oder sogar ggf. auch als Nachfolger in ein Unternehmen einsteigen möchten?

Burghardt: Wir haben im Rahmen einer Studie Interim Manager gefragt, ob eine Festanstellung eine Option für sie wäre. 70 % haben dies verneint. 30 % haben gesagt, dass sie es nicht vollkommen ausschließen würden. Interim Manager zu sein ist eine Lebens- und Arbeitsphilosophie. Die meisten Manager sind jenseits der 50, haben Karriere gemacht und müssen sich nichts mehr beweisen. Stattdessen wollen sie Ergebnisse und Mehrwert produzieren, ihr Wissen weitergeben und Dinge bewegen und gestalten. Interim Manager sind sehr unabhängig – und unabhängige Experten sind vie1 wert. Sie sprechen auch Dinge im Unternehmen an, die eine Führungskraft im Angestelltenverhältnis möglicherweise nicht so klar aussprechen möchte.

VC Magazin: Die Digitalisierung steht bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Prioritätenliste. Inwieweit können neue Mitarbeiter oder Manager von außen beim Weg in eine digitale Zukunft helfen?

Burghardt: Laut einer Studie der Oxford-Universität wird es 38% unserer Jobs in den nächsten fünf Jahren nicht mehr geben. Durch die Digitalisierung kommen in hohem Tempo neue Themen und Herausforderungen auf die Unternehmen zu. Digitalisierung geht mit Disruption und Transformation einher. Dies funktioniert selten mit eigenen Ressourcen und Bordmitteln, denn Veränderung aus bestehenden Strukturen zu initiieren, ist immer schwierig Es bedarf eines „Brückenbauers“, überspitzt formuliert, eines, der die alte mit der neuen Welt verbindet und Anforderungen übersetzt. Im Zeitalter der Digitalisierung sind Weiterbildung und Lernkompetenz entscheidende Faktoren, da die Halbwertszeit unseres Wissens immer schneller abnimmt. Um hier mithalten zu können, müssen Unternehmen Experten und Spezialisten von außen holen, die interne Wissenslücken, die es in jedem Unternehmen gibt, schließen können. Zum einen bringen sie passgenau die richtigen Kompetenzen mit und zum anderen können sie die bestehenden Mitarbeiter praxisbezogen weiterbilden, coachen und einen Wissenstransfer erzeugen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview, Frau Burghardt!

Yurda Burghardt ist Geschäftsführerin der Kerkhoff Experts GmbH in Düsseldorf. Kerkhoff Experts vermittelt als Teil der Kerkhoff Group Verstärkung in Fach- und Managementpositionen für temporäre Positionen sowie für feste Anstellungen.

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